Im Wald und auf der Heide.

Die Schicksale des Dorfes Jamlitz.

Ein Jahrhunderthörspiel von
Kai-Uwe Kohlschmidt und Andreas Weigelt

© Eine Produktion des KARUNA e.V. 2014. Neuauflage 2022 im Auftrag der Evangelischen Kirchengemeinde Lieberose und Land.

Geschichte und Protagonisten

Die Maler

Franz Lippisch (1859 – 1941) wurde in Hammerschneidemühl in der Neumark geboren.

Nach einer kaufmännischen Ausbildung begann Franz Lippisch 1877 als Schüler von Carl Steffeck mit dem Malen.
Er folgte damit seiner Neigung und Begabung und studierte bereits 1879 an der Berliner Akademie. Nach Stationen in Italien und München eröffnete er 1895 in Berlin eine Malschule, die bis 1912 fortbestand.
Franz Lippisch war Mitbegründer der Berliner Sezession. Mit seinen Schülern, zu denen auch Walter Kühne gehörte, pflegte er Exkursionen in die Natur und Landschaft zu unternehmen, zum Beispiel in den Spreewald. Als sie keine freie Unterkunft fanden, folgten sie einer Empfehlung und fuhren mit der Spreewaldbahn nach Lieberose.
Von hier aus unternahmen sie eine Wanderung nach Jamlitz und kamen günstig in dem im Byhletal gelegenen Gasthaus „Zum kühlen Grund“ unter.
Von der schönen Landschaft, die Jamlitz umgab, angetan, hielten sich die Künstler nun immer öfter hier auf und ließen sich nach und nach ganz in Jamlitz nieder. 

1915 erwarb Lippisch ein Bauernhaus in Jamlitz, in dem er mit seiner Familie bis zu seinem Tod lebte.

Franz Lippisch mit Staffelei in Jamlitz, 1939

Franz Lippisch „Der Flößer Tod“, Tempera auf  Leinwand, 1897

Jamlitz - eine Künstlerkolonie

Paeprers Garten – „Zum kühlen Grund“ 1909
Bianca Lippisch, Johanna Feuereisen, Georg Paeprer, Anselm Lippisch, Clara Lippisch, Gustav Paeprer, Irene Göschen, Franz Lippisch. 

Bianca Commichau, Malerin
Tochter von Franz Lippisch
in den 1950er Jahren in Jamlitz

Das Dorf

Dr. Walter Kühne (1875 – 1956) wurde als Sohn einer wohlhabenden Familie in Berlin geboren.

Nach Abschluss eines Jurastudiums und der Erlangung des Doktortitels gab er, wegen seiner geringen Motivation als Jurist zu arbeiten, den Beruf auf und meldete sich im Jahre 1900 in der Malschule des Menzel-Preisträgers Franz Lippisch als Schüler an, mit dem er während einer Studienreise der Landschaftsmalerei 1904 das erste mal Jamlitz besuchte. Zwei Jahre später baut er ein Haus in Jamlitz und nutzt es für sich und seine Familie als Sommersitz.

Nach dem ersten Weltkrieg verarmt, zieht er ganz hierher, wird Teil der Künstlerkolonie. Während eines Fliegerangriffs im April 1945 trifft eine Brandbombe sein Haus. Seine Frau Renata stirbt in den Flammen des brennenden Hauses. Dies war tragischerweise das einzige während des zweiten Weltkrieges in Jamlitz zerstörte Wohnhaus.
Walter Kühne konnte überleben. Er verbrachte jene Nacht im Pisspott, seinem Atelier.

„In Jamlitz fand ich die Ferne mir so nah.“

Walter Kühne um 1954

Walter Kühne. Der Pisspott „Meine Werkstatt in Jamlitz“
(Radierung) 1908

Walter Kühne „Jamlitzer Dorfstraße“
(Radierung koloriert) 1933

Bianca Commichau und Walter Kühne um 1947 in Jamlitz

Inhaftiert im LAGER JAMLITZ

KZ-Außenlager Lieberose 1943 - 1945

Gunther R. Lys 1938

Gunther R. Lys (1907 – 1990) wurde in Hamburg in einer Schauspielerfamilie geboren.

Während der Weltwirtschaftskrise schlug er sich mit schriftstellerischen und photographischen Kleinaufträgen durch. Im Januar 1941 wurde er als Hitler-Gegner in das KZ Sachsenhausen eingewiesen, wo er sich mit Kommunisten an illegaler Arbeit beteiligte.
Von April 1944 bis Februar 1945 war er als Revierschreiber und Vorarbeiter im Außenlager Lieberose eingesetzt und wurde im April 1945 in Sachsenhausen befreit. 

In Büchern (Kilometerstein 12,6 – 1948) und Filmen (Mauern – 1963. Ein Tag – 1965) verarbeitete er seine Lager-Erfahrungen. Nach dem Tod seiner Frau Lisa Lemmin heiratete er seine Jugendliebe Ruth Reisner und zog 1966 nach Israel. Von 1975 bis 1990 korrespondierte er mit dem Lieberoser Lehrer Roland Richter.
Er starb in Haifa.

„Die Deutschen, Herzstück oder Fremdkörper Europas? Ungezähmt blieben sie immer.
Aufklärung und Humanismus: Wogen, die an deutsche Strände leckten, ohne Tiefgang.
Die gestern in Fesseln, hüten heut die Kerker.

Der Gerichtete richtet, nach gleichem Prinzip.“

(Gunther R. Lys)

Die Ruine eines Kellergewölbes auf dem Lagergelände. 
Ob es sich hier um ein Krematorium handelt, ist nicht klar.

Sowjetisches Speziallager Nr. 6 Jamlitz 1945 - 1947

Herta Kretschmer 1998 in Cottbus

Herta Kretschmer (1903 – 1999) wurde in Berlin als Tochter eines Beamten geboren und promovierte 1930 in Biologie.

Früh war sie vom Nationalsozialismus begeistert und wurde Gaurednerin der NS-Frauenschaft.
Ab Januar 1945 leitete sie das rassepolitische Amt der NSDAP-Kreisleitung Cottbus.
Wegen Zusammenarbeit mit dem SD nahm sie das NKWD am 19.1.1946 fest. Nach Haft in den sowjetischen Speziallagern Jamlitz, Mühlberg und Buchenwald kam sie erst 1950 frei.

Bis zur Pensionierung arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin.
1965 verfaßte sie auf Anregung der Schriftstellerin Inge von Wangenheim Lebens- und Lagererinnerungen, deren Veröffentlichung in der DDR scheiterte.

Sie stellte nach 1990 keinen Antrag auf Rehabilitierung und Haftentschädigung.
Sie starb in Cottbus.

„Was ist dieses Ich? Wo ist die Abgrenzung?
Und was
bedeutet dieses lächerliche Wort Freiheit?
Tue Buße und
sündige hinfort nicht mehr – das reicht nicht. Es ist Schuld. Nicht Sünde.
Und Ihre Folgen haben eine laute Sprache.
Erlösung? Ist nicht möglich.
Vielleicht abtragen. Bezahlen.
Mit sich selbst.“

(Herta Kretschmer)

Alter Lagereingang Kiefernweg Jamlitz.
Rechts der 1944 von einem jüdischen Häftling behauene Lagerstein.